14Juli

Man nennt es „Bewerbungsshopping“. Als wäre es etwas Merkwürdiges. Als würde man an einem Samstagnachmittag durch den H&M schlendern, aber mit einem Lebenslauf in der Tasche. Der Begriff klingt nach etwas Unverbindlichem. Etwas Flüchtigem. Etwas typisch Gen Z.

Aber wer genauer hinsieht, erkennt etwas anderes. Taktik. Timing. Und, ehrlich gesagt, eine ganze Menge Mut.

Laut aktuellen Studien bewirbt sich 43 Prozent der jungen Menschen manchmal, ohne wirklich wechseln zu wollen. Nicht aus Langeweile. Sondern um zu sehen, was sie wert sind. Um mit einem neuen Angebot in der Hand zum Chef zu gehen und zu sagen: Was meinst du, willst du mich behalten oder nicht?

Fast ein Drittel schafft es tatsächlich.

Während Gen Z sich bewirbt, verhandelt und aufwertet, hofft der durchschnittliche Boomer mit zusammengebissenen Zähnen, dass er noch bis zur Rente durchhält.

Daraus lässt sich etwas lernen.

Gehaltsverhandlungen und Generationenkonflikt

Boomer haben bei ihrer ersten Stelle nicht über das Gehalt verhandelt. Man war einfach froh, dass man irgendwo anfangen durfte. Auch nach einer Gehaltserhöhung fragte man nicht. Man arbeitete einfach härter. Oder länger. Oder leiser.

Gen Z sieht das anders. Sie verhandeln. Schon beim ersten Job. Und danach noch einmal. Und wenn nötig, noch einmal.

Die Zahlen lügen nicht. Mehr als die Hälfte der unter 35-Jährigen hat sich schon einmal „umgesehen“. Nicht bei Zalando, sondern bei einem anderen Arbeitgeber. Dreißig Prozent dieser Gruppe geben an, dass es sich gelohnt hat: mehr Geld, bessere Bedingungen, Anerkennung.

Zum Vergleich: Bei den über 55-Jährigen liegt dieser Anteil bei acht Prozent. Acht. Nicht dreißig. Nicht zwanzig. Acht.

Sie sind nicht frecher, sondern klüger

Was macht Gen Z eigentlich?

Sie zeigen, dass sie verstanden haben, wie der Arbeitsmarkt funktioniert. Sie nutzen Bewerbungen nicht als Fluchtweg, sondern als Verhandlungsinstrument. Nicht, um zu gehen, sondern um ernst genommen zu werden.

Sie wissen: Wenn ein Arbeitgeber dich wirklich schätzt, wartet er nicht, bis du kündigst, um dir etwas anzubieten.

Und ja, sie sind mit Google, Glassdoor und Influencern aufgewachsen, die offen über Gehälter sprechen. Sie wissen, was Kollegen verdienen. Sie wissen, was sie selbst wert sind. Und sie wissen, dass der Arbeitsmarkt eng ist.

Das ist nicht frech. Das ist strategisches Bewusstsein.

Die Lehre für Arbeitgeber

Es ist einfach, sich über diese fordernden jungen Leute zu beklagen. Dass sie illoyal sind. Dass sie sofort wechseln wollen. Dass sie drei Monate nach dem Start schon nach einer Fortbildung, einem Mentor und Homeoffice fragen.

Aber vielleicht sollte man sich fragen: Warum fragen sie das? Warum fühlen sie sich nicht gesehen? Warum müssen sie sich bewerben, um ernst genommen zu werden?

Wer Gen Z halten will, muss aufhören zu seufzen. Und anfangen zuzuhören.

Nicht jede Bitte um Gehaltserhöhung ist Erpressung. Manchmal ist es einfach ein Test: Willst du mich behalten oder nicht?

Zum Schluss

Boomer hoffen, dass jemand ihren Einsatz erkennt. Gen Z sorgt dafür, dass er auffällt.

Boomer warten auf eine Beförderung. Gen Z fragt danach.

Boomer gehen zu einem Bewerbungsgespräch, um zu gehen. Gen Z, um zu bleiben.

Sie wissen, dass nichts von selbst kommt. Dass Anerkennung etwas ist, das man sich erkämpft. Nicht durch Lautstärke, sondern durch Optionen. Und den Mut, sie auf den Tisch zu legen.

Bewerbungsshopping ist also keine Modeerscheinung. Es ist die neue Realität. Und, vielleicht noch wichtiger: Es ist verdammt effektiv.